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Liebe Kleidung auf der Kleiderstange.

Ich sperre die Hoffnungen an eine Zeit nach Corona bestmöglichst aus meinem Kopf. Der Gedanke an all die geplanten Erlebnisse schmerzt. An manchen Tagen weniger, an manchen Tagen mehr. All dies lässt sich gut verdrängen, schließlich sind es nur Gedanken, oder? Doch du, liebe Kleidung auf der Kleiderstange, bist das erste und das letzte, dass ich jeden Tag sehe. Und dein Anblick schmerzt jeden Tag ein bisschen mehr.


Dich, lieber schwarzer Pulli, hätte ich bei meinen VWA Präsentationen tragen sollen. 

Dich, liebes rote Samtkleid, hätte ich bei meinem Abschlussball getragen. Der Ball bei dem ich das letzte Mal sein sollte, während ich noch Schülerin bin. 

Dich, liebes viel zu großes Shirt, so groß, dass ich dich als Kleid tragen kann, hätte ich nach der schriftlichen Matura bei dem Konzert tragen sollen, das für mich schon viel zu lange das Ende der Schulzeit repräsentiert. Das Konzert hätte ich im Partnerlook mit einer Freundin, deren viel zu großes Shirt, dass sie als Kleid tragen kann, ebenfalls auf der Stange hängen bleiben wird, besuchen sollen. Mit einem Bier in der Hand, laut mitsingend das Leben zelebrieren.

Dich, liebes gestreiftes T-Shirt, hätte ich tragen sollen, während ich im Park mit meinen Freunden sitze und wir uns über den ganzen Stoff für die mündliche Matura beschweren. Und es dennoch gemeinsam lernen.

Dich, kurzer schwarzer Rock, hätte ich bei einem weiteren Konzert tragen sollen, bei dem wir den 18. einer Freundin gefeiert hätten. 

Dich, weiße Bluse, hätte ich bei meiner mündlichen Matura tragen sollen, ganz verschwitzt vor lauter Nervosität, aber noch mehr voller Vorfreude auf die nächsten Wochen und Monate in Freiheit.

Dich, weite Schwarze Hose, hätte ich auf dem Weg zur Maturareise tragen sollen, weil über zehn Stunden im Bus sitzen, doch unbequem werden kann.

Dich, purpur farbiger Bikini, hätte ich tragen sollen, während ich ins Meer laufe, in den Pool springe oder Spaghetti für 15 Leute gekocht hätte. Eigentlich hätte ich dich die ganze Zeit tragen sollen. 

Dich, liebe Opa Weste, wie ich dich gerne nenne, hätte ich tragen sollen, während all der Abenden, an denen ich mit Freunden im Park gesessen hätte oder wir noch die halbe Nacht durch die Straßen gezogen wären. 

Dich, liebes blaue Kleid mit goldenen Akzenten, hätte ich bei meiner Maturafeier tragen sollen, nach der ich offiziell fertig mit der Schule sein sollte. Offiziell frei sein sollte. 


Euch, liebe Kleidung auf der Kleiderstange, hätte ich tragen sollen, für all die Ereignisse, die jetzt nicht mehr stattfinden, oder zumindest niemals so, wie sie hätten sein sollen. Ihr, liebe Kleidung auf der Kleiderstange, erinnert mich an all das, was mir genommen wurde. Und an das, liebe Kleidung auf der Kleiderstange, das mir niemals jemand zurückgeben kann.


{Alexandra}




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